Erneut fand am Samstag eine sogenannte “Hygienedemo” des Aluhut-Vereins “Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ um die in der Kulturszene Berlins verhafteten Kulturwissenschaftler Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp statt. Die Organisatoren, die beide Autoren für das Querfont-Blatt Rubikon_News und Interviewpartner für KenFM sind, verharmlosen das Virus und sehen hinter den Infektionsschutzmaßnahmen eine Strategie zur Installation eines neuen Faschismus.
Davon angezogen fühlt sich nicht nur eine krude Mischszene von Verschwörungsgläubigen, die Veranstaltung ist mittlerweile ein Hotspot einer ganzen Bandbreite an Desinformationsportalen des rechten Spektrums geworden. Nicht nur Martin Lejeune, KenFm, Rubikon, RT Deutsch, eingeschenktTV oder die Waffen-Lobbyistin der AfD Carolin Matthie berichten von hier, mittlerweile haben sich auch der NS-Propganda-Youtuber Nikolai Nerling (Möchtegern-“Volkslehrer”) und Elsässers COMPACT-TV eingefunden. Auf der Veranstaltung kommt es immer wieder zur Relativierung der Shoah und des NS. Dieses Mal zum Beispiel konnte man einen Teilnehmer ausmachen, der sich einen sogenannten “Judenstern” um den Arm gebunden hatte, eine dreiste Relativierung des industriellen Massenmords an Jüdinnen und Juden im deutschen Faschismus.
Journalist:innen als verlängerter Arm von Antideutschen Geheimdiensten?
Im Nachgang der letzten “Hygienedemo” schreibt der Pseudo-Journalist Martin Lejeune – Freund von Hamas, AKP und dem Salafisten-nahen Verein Ansaar International – die Teilnehmer:innen der Demos fühlten sich bedroht und hätten Angst “vor den Kameras des privaten Geheimdienstes der Antideutschen”. Außerdem sei Kritik “über Nacht zum Verbrechen” geworden. Und wie immer kommt Lejeune nicht um die Relativerung des Nationalsozialismus herum, wenn er die Auflösung der Versammlung mit der Bücherverbrennung von 1933 vergleicht.
Auf diesen Antisemiten und Aluhut, der auch schon mal Hinrichtungen in Gaza damit beschönigt, dass die Angehörigen ja entsprechend informiert und entschädigt würden, bezieht sich ernsthaft auch Peter Nowak in einem Beitrag mit dem Titel “Die Pseudodemokratie” für das Querfront-Blatt Rubikon News als Quelle. [*Update zu Peter Nowak, unten angehängt]
“Hygienedemos” machen Schule: Bundesweite Ableger und Imitationen
Mittlerweile werden bundesweit Netzwerk-Gruppen aufgebaut und versucht, Ableger zu gründen. Auch in rechten Telegram-Gruppen wird für diese Demos mobilisiert. Die seit dem 18.04. Demo-begleitend von den Berliner Organisatoren herausgegebene Zeitung “Demokratischer Widerstand” oder “Nicht ohne uns” wird inzwischen auch bundesweit verteilt. In Halle wurde sie am Dienstag auf der Shoah-relativierenden Hetz-Parade des Neonazis Sven Liebich ausgegeben, der mal wieder zu einem rassistischen Stelldichein unter NS-ähnlichen Flaggen geladen hatte.
Antisemitische Welterklärungsmodelle und Antimodernismus als verbindende Klammer
Die “Hygienedemos” um den Verein “Kommunikationsstelle demokratischer Widerspruch”, deren Protagonisten eher aus dem bürgerlichen Spektrum kommen und sich selbst wohl als Linke definieren, sind mittlerweile ein Hotspot für eine breite Querfront von Verschwörungsgläubigen geworden. Die verbindende Klammer ist der Hang zu Antisemitismus und einer damit einhergehenden antiemanzipatorischen Weltanschauung, die Wissenschaft als “von oben gesteuert” ablehnt und gleichzeitig die Natur romantisiert. Mit solidarischer Kritik an auch unverhältnismäßigen Einschränkungen der Grundrechte hat das jedenfalls nichts zu tun. Im Gegenteil, hier manifestiert sich ein Bündnis, das das Corona-Virus verharmlost oder negiert, Verhältnisse verzerrt, dabei autoritär auftritt und sich von Leuten protegieren lässt, die selbst Grundrechte von Minderheiten und prekär lebenden Menschen mit Füßen tritt.
*Update zu peter Nowak:
In einem gerade in Der Freitag erschienenen Text, erklärt und distanziert sich Peter Nowak nun von diesen Demos. Er suggeriert, dass die Veranstaltungen auch von rechts gekapert worden seien. Dass Lenz und Sodenkamp von Beginn an mit fragwürdigen Personen wie z.b. Uli Gellermann zusammengearbeitet und in Desinformationportalen wie KenFm, RT Deutsch, Rubikon_News für sich und ihre Veranstaltungen geworben haben, womit sie genau das Publikum selbst eingeladen haben, das dann auch kam, darüber verliert er leider kein Wort. Von dem Geschwafel in dem Aufruf über ein “Notstands-Regime” oder “Ermächtigungsgesetze” oder seiner positiven Bezugnahme auf Martin Lejeune auch nicht.
Nowaks “Distanzierung” sei hier verlinkt.
Querverweis auf den sehr lesenswerten Thread von @glr_berlin, der auf die Problematik einer unkritischen Berichterstattung von großen Medien eingeht: