von Soja
„Vorab sei gesagt: Ich schäme mich nicht dafür, im Sommer 2013 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der AfD eingereicht zu haben”, so heißt es auf Seite 5 von Inside AfD, dem selbst proklamierten Aussteigerbericht von Franziska Schreiber.
Schreiber, die nach ihrem Eintritt in die AfD innerhalb kürzester Zeit erst zur Vorsitzenden der Jungen Alternative (JA) und schließlich sogar in den Bundesvorstand gewählt wurde, begründet ihren Mangel an Scham damit, dass es zum Zeitpunkt ihres Eintritts noch nicht absehbar gewesen sei, „welche Richtung die Partei einschlagen werde”. Dass dies schon bald mehr als offensichtlich war, sie aber trotzalledem alle Anzeichen von völkisch-nationalistischem Gedankengut in ihrer neuen Lieblingspartei ignorierte, leugnet sie zwar nicht, stellt sich aber gern als passives Opfer der Umstände dar, die machtlos zusehen musste, als Rechte die Partei übernahmen — Rechte wie Höcke, Kalbitz und Co. übrigens, die von Beginn an in der Partei aktiv waren und dort schnell zu hohen Ämtern kamen. Erst 2017 konnte sich Schreiber dazu entschließen, der Partei den Rücken zu kehren. Merkwürdigerweise fiel das auf denselben Zeitpunkt, als Frauke Petry, als deren Pressesprecherin Schreiber tätig war, abgesägt wurde. Vieles spricht dafür, dass Schreibers Ausstieg wohl mehr taktischer Natur war, da Petrys Karriereende wohl auch das eigene Ende in der Partei bedeutet hätte. Umso merkwürdiger waren dann die Reaktionen auf Schreibers vermeintlichen Ausstieg.
Schreiber hatte sich nämlich mit einem eigenen Buch – dem oben genannten Aussteigerbericht – belohnt und im Gegenzug viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. Aus der Frau, die noch im Mai 2015 dafür plädiert hatte, den Straftatbestand der Holocaustleugnung zugunsten der “grenzenlosen Meinungsfreiheit” zu streichen, wurde eine gefeierte Antifaschistin.
Aus der Frau, die sich auf ihrem Autorenprofil der libertären Monatszeitschrift eigentümlich frei als “Anarchokapitalistin” bezeichnet und dort in Beiträgen wie “Scheiß auf Frauenquote – Ich will ‘ne Knarre!” die Bewaffnung von Frauen zur Notwendigkeit für die Emanzipation erklärt, wurde eine resozialisierte Liberale, die bei antifaschistischen Bündnissen wie “Mut machen! Steele bleibt bunt!” über die “Gefährlichkeit des Rechtspopulismus” referieren durfte. Die vorläufige Krönung ihrer antifaschistischen Karriere ist ihr eigener Youtube-Kanal bei funk, wo sie seit Mitte März unter Titeln wie “Fridays for Heuchler”, “Schluss mit linker Doppelmoral”, “Seid stolz auf schwarz-rot-gold – Feiert die Flagge” und “Warum Feminismus peinlich und nutzlos ist!” die rechte Gegenoffensive des Content-Netzwerks von ARD und ZDF vorantreiben soll.
Wie es wiederum dazu gekommen ist, ist ein Fall für sich und schon deswegen erwähnenswert, weil es einerseits die Absurdität des kleinen Abstechers von Franziska Schreiber in die Welt des Antifaschismus verdeutlicht und andererseits zeigt, wie extrem rechte Influencer mit aller Macht (und mit Erfolg) versuchen, Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bzw. funk zu nehmen.
Wie Franziska Schreiber zu funk kam
Nachdem bereits mehrere (linksgerichtete) funk-Reporter in das Visier von rechten Youtubern geraten waren, ohne jedoch Einfluss auf die politische Ausrichtung der betroffenen Personen genommen zu haben, erschien ein Licht der Hoffnung am Horizont. Dieses Licht hieß Mirko Drotschmann und er hatte eine Mission: Mit Rechten reden.
Das führte Mitte letzten Jahres zu der absurden Situation, dass sich der ehemalige SWR-Journalist, der mittlerweile unter dem Namen “MrWissen2Go” ebenfalls bei funk einen Kanal betreibt und darüberhinaus als Geschäftsführer der Produktionsfirma objektiv.media fungiert, in einem Livestream des Youtubers “Vulgäre Analyse” aka “Shlomo Finkelstein” auftrat. Die “Vulgäre Analyse”, ein extrem rechter Meinungsmacher, der in seinen Videos gerne im Hintergrund den Koran verbrennen oder bepinkeln lässt und zu dessen Fans auch Martin Sellner gehört, bemängelte in dem Stream, dass die funk-Kanäle, eine linke Schlagseite hätten. Zitat von “Vulgäre Analyse”:
„Aus meiner Sicht bist du legit, was den politischen Teil von funk angeht. Der einzige Typ, der kein kompletter Hurensohn ist. Könntest du mir einen anderen nennen, der nicht nur Borderline-linksextreme Meinungen vertritt?”
Mirko Drotschmann, der als Journalist des öffentlich-rechtlichen und Kollege der mit massiven Anfeindungen konfrontierten funk-Journalisten nun mehrere Möglichkeiten hatte professionell mit der Frage umzugehen, entschied sich kurzerhand für die schlecht möglichste Option und stimmte ihm zu. Und nicht nur das: Im gleichen Stream des “proto-identitären” kündigte er vielsagend an: „Da wird was kommen”. Und es kam etwas: Franziska Schreiber.
Produziert wird der Kanal von Franziska Schreiber von objektiv.media, der Produktionsfirma von Mirko Drotschmann.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Produzent von Franziska Schreiber nicht nur in Livestreams von Rechtsradikalen herumirrt, sondern sich auch noch bemüßigt fühlt, ihnen in ihrer Kritik an der politischen Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen nach dem Mund zu reden. Das ist eine interessante Strategie um gegen “Rechtpopulismus” vorzugehen und zeigt, wie man ohne Not den Diskurs an Rechte abgibt.
Franziska Schreiber, der auch von Antifaschisten ein Podium geboten wird, steht für einen rechten Durchbruch. In ihren Video-Clips bereitet sie rechte Diskurse so auf, dass gerade junge Menschen einen leichten Einstieg finden. Das erkannte auch der extrem rechte Sexist und Rassist Oliver Flesch, der sich über diese Entwicklung freute und ein Interview mit Franzsika Schreiber ankündigte. Diese nahm das Interview-Angebot an und reagierte auf Kritik wiederum mit Empörung, einer verdrehten Wahrnehmung und der Überzeugung, dass die Taktik mit Rechten nicht zu reden, falsch sei.
Zu Franziska Schreiber (und generell zu AussteigerInnen aus extrem rechten Strukturen) lesenswert ist der Text von David Begrich Enthüllung – nimm und kauf, der schon kurz nach Erscheinen ihres Buches treffend formulierte:
„Doch Schreiber ist keine Aussteigerin. Sie hat sich – aus nachvollziehbaren Gründen – zurückgezogen. Das ist ein Unterschied.“
www.freitag.de/autoren/der-freitag/nimm-und-kauf
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Da es einige gibt, die offensichtlich die Kritik an Frau Schreiber nicht begreifen und daran vorbeireden, gibt es hier nun einen Nachtrag (27.08.2019):