Die Publizistin Anabel Schunke bezeichnet sich selbst als Feministin, tritt aber vor allem mit Rassismus in Erscheinung. Damit wird sie in der neurechten Szene immer populärer.
Die neurechte „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) in Berlin-Charlottenburg ist normalerweise nicht unbedingt der Ort des leidenschaftlichen Kampfes für die Rechte von Frauen und Homosexuellen. Die BdK wird von einer Stiftung betrieben, die der Zeitung „Junge Freiheit“ nahe steht. Die Berliner AfD nutzt den Lesesaal der Bibliothek für eigene Veranstaltungen. Üblicherweise stellen dort ältere Herren ihre einschlägigen Bücher mit markigen Titeln vor, etwa der neurechte Autor, der im Antois-Verlag publiziert, Karlheinz Weißmann (z.B. Rubikon – Deutschland vor der Entscheidung) oder Parviz Amoghli (Schaum der Zeit – Ernst Jüngers Waldgang heute).
Doch Mitte September kam es zum Streit. Die katholische Aktivistin Hedwig von Beverfoerde stellte ihre europaweite Petition „Vater, Mutter, Kind“ vor, die unter dem Deckmantel vom „Schutz der Familie“, homosexuellen Partnerschaften die Gleichstellung erschweren soll. Im Publikum regte sich Widerspruch: Neben der lesbischen AfD-Politikerin Alice Weidel war auch die Publizistin Anabel Schunke angetreten, um gegen Beverfoerdes traditionalistisches Familienbild zu protestieren. In einem Artikel bezeichnete Schunke die anderen Gäste der Veranstaltung später als christliche Fundamentalisten und forderte eine „Emanzipation“ der Gesellschaft von der Religion sowie Gleichberechtigung.
Diese Argumente klingen beinahe nach denen des linken „Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung“, das zeitgleich vor der Tür gegen Beverfoerde und ihre familienpolitischen Vorstellungen demonstrierte. Die 28-jährige Studentin und Publizistin gehört jedoch zu den lautesten Stimmen der “Neuen Rechten” – und sieht sich dabei selbst als Feministin. Für Schunke bedeutet Feminismus vor allem eines: Kampf gegen den Islam.
EMMA Online veröffentlichte Anfang 2016 zwei Artikel von ihr, inzwischen hat das „professionelle Model“ jedoch bei der „Huffington Post“ und dem nationalkonservativen „Tichys Einblick“ eine publizistische Heimat gefunden. Schunke scheint permanent zu schreiben, ihre Artikel erscheinen im Abstand weniger Tage. Fast immer geht es um Einwanderungspolitik, nur selten um andere Themen (zum Beispiel die Trennung von ihrem Exfreund). Die zentrale These: Einwanderung von Muslimen führe zur Entrechtung und offenen Gefährdung von Frauen, die Politik verharmlose die Bedrohung aber systematisch. Auffällig ist, dass Benachteiligung oder sexuelle Übergriffe offenbar nur dann von Interesse sind, wenn sie in irgendeiner Form mit Muslimen zu tun haben.
Dieser Schwerpunkt kommt gut an. Die aufstrebende Autorin bewirbt ihre Stücke selbst in den sozialen Netzwerken und erreicht damit über 4.400 Follower auf Twitter und 16.000 auf Facebook. Das Erfolgsrezept scheint aus einer Kombination eines durchaus smart und eloquent formulierten Rassismus mit BH-Selfies im Stil von Instagram-Models zu bestehen. „Patriotismus kann so schön sein“, schreibt ein Fan dazu.
Zunehmend beklagt sich Schunke allerdings über „Zensur“ in den sozialen Medien. Fast unter Tränen berichtete sie Ende November in einem YouTube-Video, Facebook habe sie wegen eines Postings für vier Wochen gesperrt – ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit. Sie hatte offenbar eine gegen sie gerichtete Hassmail veröffentlicht und wurde dann wegen deren Inhalt gesperrt. Auch der rassistische Schwulen-Aktivist und Compact-Autor David Berger reagierte entsetzt – und vermutete, dass Facebook Islamisten schützen wolle. In einem eigenen Artikel zu dem Vorfall für für Tichys Einblick, verglich sich Anabel Schunke dann Anfang Dezember etwas theatralisch mit Josef K. aus Franz Kafkas Romanfragment „Der Prozess“, der von einer übermächtigen Bürokratie angeklagt wird ohne zu wissen warum.
Dieser herzzerreißend schluchzende Protest gegen die Ungerechtigkeit des Systems dürfte Schunke weitere Follower einbringen. Und damit auch zumindest das Potenzial für finanzielle Einnahmen. Mit der Selbstvermarktung von Online-Content lässt sich im Netz durchaus Geld verdienen. Schunkes Geschäftsmodell besteht aus einer unablässigen Produktion von Artikeln, die inhaltlich im Grunde identisch sind. Die Autorin kommentiert aktuelle Ereignisse, kommt aber immer wieder zu denselben Schlussfolgerungen. Ihre Zielgruppe dürfte die der AfD sein, also im Wesentlichen heterosexuelle, weiße Männer jenseits der Dreißig. Das Publikum kann sich darauf verlassen, regelmäßig in seinen Ressentiments bestätigt zu werden. Und zwar von einer jungen, authentischen, nach konventionellen Maßstäben gutaussehenden „Feministin“ mit Abitur. Rassismus kann so schön sein.
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Hinweis: Dieser Artikel erschien am 12. Dezember 2016 bei der Kentrail-Verschwörung auf Facebook
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